Es war Weihnachten. Der weiße Schnee funkelte auf den Straßen und hinterließ in dem warmen Schein der Laternen einen weihnachtlichen Glanz. In jedem Fenster standen unzählige leuchtende Weihnachtsdekorationen und eine junge Frau blieb fasziniert vor einem der Schaufenster stehen. Ein kleiner dicker Weihnachtsmann winkte ihr entgegen und zauberte ihr ein kleines Lächeln über das Gesicht. Eine dunkle Tanne schimmerte in rot-goldenen Farben und sobald ein Scheinwerfer eines Autos in das Fenster leuchtete, leuchteten die Farben in einem harmonischen Einklang. Sie liebte Weihnachten. Ihr Blick fiel auf die kleine Eisenbahn, die im ganzen Geschäft eine lange Strecke vor sich hatte. Ihr kleiner Schornstein rauchte und ein winziger Schaffner blickte aus dem Fenster. Sechs kleine Anhänger hatte die Lokomotive bei sich, einen Wagon mit freundlich blickenden Passagieren, welche sich in dem gemütlichen Abteil niedergelassen hatten und 5 Anhänger voll mit kleinen Geschenken in jeglicher Größe. Kleine, runde, eckige und rote, gelbe, grüne. Jede Form, Größe und Farbe waren vorhanden.
Ein kleines Mädchen blieb neben der jungen Frau stehen. Zwei braune Zöpfe wurden notdürftig mit einem braunen Gummi gehalten. Ihre Klamotten schienen sie kaum warm zu halten und der Dreck verschmutzte ihre rosa, zarte Wange. Mit einem Funkeln in den Augen verfolgte ihr Blick die fleißige Eisenbahn. Vertieft in einer anderen Welt. „Ist sie nicht wundervoll?“ fragte das kleine Mädchen mit einer engelsgleichen Stimme.
Die junge Frau nickte nur und betrachtete weiter das magische Bündnis zwischen der Eisenbahn und dem Mädchen.
„Irgendwann,“ begann das Mädchen, legte dann jedoch eine verträumte kleine Pause ein. „Irgendwann werde ich in solch einem Zug sitzen und alle Menschen zu ihrer Familie bringen. Zusammen mit einem der Geschenke um ihren Kindern eine kleine Freude zu schenken.“ Sie blickte, mit ihren leuchtend blauen Augen, die junge Frau direkt an. „Dann werden sie gemeinsam essen und singen, lachen und tanzen und erst dann ist Weihnachten genau so wie es sein sollte.“
Einen Moment lang musste die Frau nachdenken. Bisher waren ihren Weihnachten immer sehr einsam gewesen. Sie saß allein in ihrer großzügigen Wohnung oder ging spazieren und bewunderte die vielen Dekorationen in den Schaufenstern der Stadt. „Worüber denken Sie nach?“  die neugierigen Augen musterten sie. Die Frau schüttelte nur den Kopf.
Betreten widmete sich das kleine Mädchen wieder der Eisenbahn zu. „Wissen Sie, ich bin es gewohnt, dass mir niemand antwortet. Es tut weh, aber ich bin es gewohnt. Seit meine Eltern starben bin ich alleine und habe niemanden der mit mir das Fest der Liebe verbringen will. Das Waisenhaus sorgt sich gut um uns. Wir bekommen immer eine warme Mahlzeit und sobald uns die Klamotten nicht mehr warm halten bekommen wir neue. Ich kann mich nicht beschweren,  denn ich kenne Menschen, denen geht es noch schlechter als mir. Sie haben kein Dach über dem Kopf und müssen in der Kälte frieren.“ Eine kleine Träne kullerte ihre Wange hinunter. „Einmal habe ich einem jungen Mann eine meiner Decken geschenkt. Er war so dankbar und umarmte mich. Seither wusste ich, dass es den Ärger im Waisenhaus wert war. Schwester Mary schickte mich an diesem Abend ohne Essen ins Bett und eine Decke bekam ich erst eine Woche später.“ Jetzt lächelte sie kurz. „Der Gedanke, dass es diesem Mann jetzt aber ein kleines bisschen wärmer sein wird und die Erinnerung an sein Lächeln als ich sie im schenkte, das sind Dinge, die Weihnachten weihnachtlich machen. Finden Sie nicht auch?“ Die Frau nickte ihr nur zu und lauschte gespannt weiter.
„Ein Jahr später besuchte ein junger Mann unser Waisenhaus und fragte nach mir. Zuerst war ich total verunsichert, doch als ich genauer hinschaute, war es der Mann, dem ich die Decke schenkte. Er sah besser aus. Ich glaube er hatte wieder richtig gegessen, denn sein Gesicht ist etwas runder geworden. Er trug eine neue Jeans und ein schlichtes schwarzes Shirt und in seinen Armen hielt er eine Dicke Steppdecke und einen kleinen Plüschteddy. Schwester Mary führte ihn zu mir, ließ ihn aber keine Sekunde aus den Augen. Dann sagte er, dass er es nie vergaß wie ich ihm meine kleine Decke schenkte, obwohl ich selbst nichts besaß. Können Sie sich das vorstellen? Selbst ein Jahr später war er noch dankbar.“ Die Frau lächelte, erwiderte jedoch nichts. „Er schenkte mir die pinke Decke und den kleinen Teddy.“ Sie hob einen kleinen weißen Teddy mit roter Schleife in die Höhe und blickte ihn liebevoll an. „Zuerst kam er mich jede Woche besuchen, dann zeigte er mir sein neues Heim. Es war nur ein kleiner Raum mit einem kleinen Sofa und einem Bett. Nebenan war eine winzige Toilette. Als ich ihn das nächste Mal besuchte, stand neben dem Bett ein weiteres pink bezogenes Bett, an dessen Bettende liebevoll Annabell mit hellblauen Buchstaben geschrieben wurde. Dann fragte er mich ob ich bei ihm wohnen wolle. Ich war so glücklich. Wir hatten so viel gemeinsam gespielt und gelacht, er hat sich so liebevoll um mich gekümmert als wäre ich seine eigene Tochter. Nachdem er mich abends ins Bett gebracht hatte, ging er arbeiten. Er hat einen Job bei einer 24h opened-Imbissbude bekommen. Es reichte gerade so für uns beide und so oft verzichtete er auf viele Dinge um mir so viel wie nur möglich zu verwirklichen. Doch jetzt bin ich wieder alleine.“ Ein herzzerreißendes Schluchzen hallte die Straßen entlang und die Tränen bildeten einen kleinen Fluss in ihrem Gesicht. „Ich hatte ihn lieb!“ wimmerte sie. Als eine kalte Hand ihre Schulter berührte zuckte sie zusammen. Die Frau blickte die kleine Annabell an und lächelte ihr ermutigend zu, als auch ihr eine kleine Träne aus den Augen entwich. Gegenseitig schlossen sie sich in die Arme. Nach einem Moment löste sich das kleine Mädchen. „Seither habe ich das Gefühl, dass mir alle aus dem Weg gehen, sobald sie das kleine arme Mädchen sehen. Sie reden kein Wort mit mir.“ Wieder suchte Annabell den direkten Blickkontakt. Die Frau schluckte und die Augen des Mädchens wurden groß. „Aber Sie können mir gar nicht antworten… Stimmt’s?“  Die stumme Frau lächelte. Einladend streckte sie ihr ihre Hand entgegen und zusammen gingen sie die Straße entlang, bis sie vor einem großen weißen Haus stehen blieben. Fragend schaute die junge Frau Annabell an. Als diese begriff grinste sie wie ein Honigkuchen Pferd und gemeinsam betraten sie die große, hellbeleuchtete Wohnung. Die junge Frau hob einen Brief in die Höhe und zeigte auf die Anschrift. „Frau… L…U…ISE …“ Sie lächelte. „Dein Name ist Luise!“ rief sie und klatschte fröhlich in die Hände. Luise setzte sich an den prächtigen Flügel und klopfte mit flacher Hand auffordernd auf den leeren Platz neben ihr. Annabell kuschelte sich neben sie. Als die lieblichen Töne des Klaviers klangen, erkannte das Mädchen das Lied und begann mit einer glockenzarten Stimme zu singen. Seitdem hatte das Mädchen ein neues Zuhause und gemeinsam machten sie jedes Jahr das Weihnachten vieler armen Kinder schöner. Denn darum geht es an Weihnachten. Niemand sollte alleine sein.

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